Im vorigen Blogbeitrag zum Thema „Schnuppern“ haben wir Ihnen die rechtlichen Rahmenbedingungen bei „schnuppernden Schülern“ vorgestellt. Weitaus komplexer gestaltet sich das „Schnuppern“, also das kurzfristige und entgeltfreie Beobachten und freiwillige Verrichten einzelner Tätigkeiten bei Interessenten, die die Schulpflicht bereits absolviert haben.
Der Ausdruck „Schnuppern“ oder „Schnuppertage“ ist im Gesetz nicht geregelt. Die Abgrenzung zwischen Schnuppertagen und Probearbeitsverhältnissen ist regelmäßig sehr schwierig und kann empfindliche finanzielle Konsequenzen für den Arbeitgeber nach sich ziehen:
- Arbeitseinsätze eines Arbeitnehmers ohne entsprechende Meldung bei der zuständigen Gebietskrankenkasse stellen eine illegale Beschäftigung dar, die im Falle einer Kontrolle durch Prüforgane der GKK oder der Finanzpolizei hohe Strafen nach sich ziehen kann. Es wird verpflichtend eine Anzeige bei der Bezirksverwaltungsbehörde erstattet; die Verwaltungsstrafen liegen zwischen EUR 730,- bis 2.180,-.
- Kommt es in dem Zusammenhang auch zu einem Verstoß gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz, erhöhen sich die Strafen nochmals.
- Des Weiteren kann ein Verstoß gegen das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vorliegen.
- Sieht die GKK ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, verpflichtet sie den Arbeitgeber zur Nachzahlung der Beiträge sowie zur Entrichtung eines Beitragszuschlages wegen des Verstoßes gegen die sozialversicherungsrechtliche Meldepflicht.
- Der Arbeitnehmer kann Entgelt und die Erfüllung sonstiger Ansprüche fordern, die ihm Gesetz und Kollektivvertrag einräumen.
Delikat ist in diesem Fall Folgendes: Ein Arbeitnehmer könnte nach einem Schnuppertag nicht nur das Entgelt sondern auch eine Kündigungsentschädigung geltend machen. Erbringt der „Schnupperer“ eine Arbeitsleistung und wird diese vom Arbeitgeber angenommen, kommt konkludent ein Arbeitsverhältnis zustande, das, mangels anderer Vereinbarung, nur unter Einhaltung von Kündigungsfristen und –terminen gelöst werden kann. Wenn der Kollektivvertrag nun keine Lösungsmöglichkeit in der Probezeit vorsieht oder kein Kollektivvertrag zur Anwendung kommt, bedeutet dies im Falle eines Angestellten, dass er eine Kündigungsentschädigung von mindestens 6 Wochen mit einem Kündigungstermin zum nächsten Quartal geltend machen könnte – inkl. anteiliger Sonderzahlungen und Urlaubsersatzleistung!
- Darüber hinaus haftet der Arbeitgeber für die Abfuhr der Lohnsteuer und muss Lohnnebenkosten entrichten.
- Bezieht die nicht angemeldete Person Arbeitslosengeld, schreibt die regionale Geschäftsstelle des AMS dem Arbeitgeber zusätzliche Strafen vor.
Abgrenzungsschwierigkeiten entstehen auch zwischen dem praktischen Teilen eines Bewerbungsgespräches und dem Beginn eines versicherungspflichtigen Probearbeitsverhältnisses.
Der VwGH hat dazu in einem Erkenntnis ausgeführt: Soweit der Arbeitgeber das Vorstellungsgespräch dazu nutzt, eine Arbeitsleistung in Anspruch zu nehmen, die nach Art und Umfang üblicherweise nicht unentgeltlich erbracht wird und somit das Vorstellungsgespräch in die eigentliche Betriebsarbeit oder Einschulung erstreckt, kommt es zu einer einseitigen Verkürzung der Interessen des Arbeitnehmers, ohne das dies durch berechtigte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt werden könnte.
Demzufolge begründet die Teilnahme an einem klassischen Assessment Center, bei dem mehrere potentielle Mitarbeiter an einem mehrstündigen oder auch mehrtägigen Auswahlverfahren teilnehmen und bei verschiedenen Gruppen- und Einzelübungen ihre Fertigkeiten beweisen, grundsätzlich kein Arbeitsverhältnis. Ebenso verhält es sich, wenn der Bewerber oder die Bewerberin nur durch den Betrieb geführt und dabei verschiedene Fragen z.B. in Materialkunde gestellt werden.
Fertigen Bewerber im Rahmen des Auswahlverfahrens jedoch ein Werkstück, z.B. einen Stuhl, an, der in weiterer Folge vom Arbeitgeber verkauft wird, liegt – der Judikatur des VwGH folgend – ein Arbeitsverhältnis vor.
Wer trotz all der rechtlichen Unsicherheiten „Schnupperer“ in seinem Unternehmen willkommen heißen möchte, sollte auf das Vorliegen folgender Kriterien achten:
- Ausdrückliche Vereinbarung der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit
- Begrenzte Dauer
- Überwiegendes Beobachten
- Wenn es ein Arbeitsergebnis gibt (z.B. die Anfertigung eines Werkstückes), kommt dieses ausschließlich dem „Schnupperer“ zugute)
- Keine Tätigkeitspflicht und keine Eingliederung in die Unternehmensorganisation (keine verbindlichen Termine -> der „Schnupperer“ kann kommen wann und bleiben wie lange er will)
- Kein Ersatz für einen Arbeitnehmer (die schnuppernde Person ist eher eine „Belastung und keine Entlastung“ für das Unternehmen)
Unser Tipp: Ruhiger schlafen Sie jedenfalls, wenn Sie den „Schnupperer“ mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung für den Tag des Schnupperns anmelden. Wir unterstützen Sie gerne und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite!