Der Gesetzgeber plant mit dem Entwurf des Erbrechtsänderungsgesetzes 2015 zum Teil umfangreiche Änderungen im Erbrecht. Neben sprachlichen Anpassungen des Gesetzestextes sieht der Entwurf des Erbrechtsänderungsgesetzes zum Teil wesentliche Neuerungen im Erbrecht vor. Bis zum 4. Mai 2015 war der Gesetzesentwurf in Begutachtung und soll dann im Nationalrat beschlossen werden.
Bedeutsame Änderungen sieht der Entwurf vor allem bei der Form letztwilliger Verfügungen sowie im gesetzlichen Erbrecht und im Pflichtteilsrecht vor. Zu den geplanten Änderungen im Einzelnen:
Letztwillige Verfügungen
Neu ist, dass bei sogenannten fremdhändigen Testamenten die bloße Unterschrift des Erblassers nicht mehr ausreichend sein soll. Nach dem Gesetzesentwurf muss der Erblasser die Urkunde mit einem eigenhändigen Zusatz versehen, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthält. Ferner müssen aus der Urkunde Vor- und Zunamen und das jeweilige Geburtsdatum der Zeugen hervorgehen. Der Gesetzgeber bezweckt mit diesen Anforderungen eine höhere Fälschungssicherheit. Fraglich ist aber, ob durch diese zusätzlichen Formerfordernisse nicht auch die Gefahr einer Ungültigkeit der Testamente erhöht wird.
Nach dem derzeit noch geltenden Recht behalten letztwillige Verfügungen zu Gunsten des früheren Ehegatten, eingetragenen Partners oder Lebensgefährten auch nach Auflösung der Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft ihre Wirksamkeit. Sie müssen also widerrufen oder geändert werden, möchte man verhindern, dass der ehemalige Gatte, Partner oder Lebensgefährte erbt. Nach dem Gesetzesentwurf sollen solcherart letztwillige Verfügungen nach Auflösung der Ehe, eingetragenen Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft als aufgehoben gelten, es sei denn, der Erblasser hat ausdrücklich das Gegenteil angeordnet. Hat der Erblasser das Verfahren zur Auflösung der Ehe bzw. eingetragenen Partnerschaft bereits eingeleitet, soll nach dem Entwurf die letztwillige Verfügung im Zweifel als aufgehoben gelten. Gleiches gilt sinngemäß bei Aufhebung der Abstammung oder Adoption.
Gesetzliches Erbrecht
Nach dem Gesetzesentwurf sollen die Erbunwürdigkeitsgründe ausgedehnt werden. Schon bisher führten besonders schwere Verfehlungen gegen den Erblasser (vorsätzliche Straftat mit Strafdrohung von mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe) oder Angriffe gegen den letzten Willen des Erblassers zur Erbunwürdigkeit. Geplant ist, dass auch schwere Verfehlungen gegen bestimmte nahe Angehörige des Erblassers erbunwürdig machen. Erbunwürdig ist auch, wer dem Erblasser schweres seelisches Leid zugefügt hat.
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten und eingetragenen Partners wird gestärkt. Nach der bisherigen Rechtslage erbt der Ehegatte oder eingetragene Partner neben den Großeltern zwei Drittel. Nach dem Gesetzesentwurf soll der Ehegatte oder eingetragene Partner neben den Großeltern alles erben. Dadurch haben Großeltern, wenn der Verstorbene noch seinen Ehegatten oder eingetragenen Partner hinterlässt, kein gesetzliches Erbrecht mehr. Außerdem entfällt der Pflichtteilsanspruch der Eltern, wenn der Erblasser seinen Gatten oder eingetragenen Partner hinterlässt.
Lebensgefährten soll nach dem Gesetzesentwurf dann ein gesetzliches Erbrecht zukommen, wenn der Erblasser sonst keine gesetzlichen Erben hinterlässt. In diesem Fall geht das Erbrecht des Lebensgefährten dem außerordentlichen Erbrecht des Legatars vor.
Pflichtteilsrecht
Das Pflichtteilsrecht stand seit jeher im Spannungsfeld mit der Testierfreiheit des Erblassers. In der Rechtswissenschaft wurden in den letzten Jahren Stimmen nach einer vollständigen Abschaffung des Pflichtteilsrechts laut, da es nach Ansicht mancher nicht mehr zeitgemäß sei. Da jedoch das Pflichtteilsrecht im Rechtsempfinden der österreichischen Bevölkerung nach wie vor tief verankert ist, hält der Gesetzesentwurf daran fest.
Nach dem Entwurf soll das Pflichtteilsrecht allerdings in manchen Bereichen zugunsten der Testierfreiheit des Erblassers eingeschränkt werden. So entfällt ein Pflichtteilsanspruch der Vorfahren des Erblassers. Pflichtteilsberechtigt sind daher nach dem Gesetzesentwurf generell nur mehr die Nachkommen des Erblassers sowie der Ehegatte oder eingetragene Partner.
Die mit dem Erbrechtsänderungsgesetz 1989 eingeführte Pflichtteilsminderung soll erweitert werden. War bisher Voraussetzung für eine Pflichtteilsminderung das dauernde Fehlen eines familiären Naheverhältnisses, genügt nach dem Gesetzesentwurf, dass ein familiäres Naheverhältnis zumindest 10 Jahre vor dem Tod des Erblassers nicht bestanden hat. In diesem Fall kann in einer letztwilligen Verfügung der Pflichtteilsanspruch auf die Hälfte reduziert werden.
Die Art, wie der Pflichtteil zu hinterlassen ist, soll neu geregelt werden. Nach der bisherigen Rechtslage ist der Pflichtteil lastenfrei zu hinterlassen. Bedingungen, Befristungen und sonstige Belastungen, die den Pflichtteil einschränken, sind ungültig. Der Pflichtteil musste, wenn er nicht ohnedies in Geld bestand, verwertbar sein. Nach dem Gesetzesentwurf ist die Verwertbarkeit der Zuwendung nicht mehr Voraussetzung für die Einrechnung in den Pflichtteil. Allerdings kann eine mangelnde Verwertbarkeit dazu führen, dass die Zuwendung niedriger zu bewerten ist. Nach dem Entwurf sollen demnach beispielsweise auch vinkulierte Unternehmensanteile zur Pflichtteilsdeckung geeignet sein.
Wenn der Pflichtteil nicht durch Zuwendungen auf den Todesfall oder durch Schenkungen zu Lebzeiten ausreichend gedeckt ist, soll dem Pflichtteilsberechtigten ein Geldpflichtteilsanspruch zustehen. Dieser soll erst nach einem Jahr zur Zahlung fällig sein. Der Erblasser soll eine Stundung für die Dauer von bis zu fünf Jahren verfügen können. Eine solche Stundung soll auch über Verlangen des solcherart belasteten Erben möglich sein. In bestimmten Fällen soll die Stundung sogar für die Dauer von bis zu 10 Jahren möglich sein. Mit diesen Regelungen soll insbesondere dem Interesse der Erben auf Fortführung eines geerbten Unternehmens Rechnung getragen werden.
Abgeltung von Pflegeleistungen
In Zukunft soll es möglich sein, dass das Verlassenschaftsgericht nach Billigkeit einen Ausgleich für Pflegeleistungen schafft. Diese Möglichkeit zur Abgeltung erbrachter Pflegeleistungen soll gesetzlichen Erben und deren nächsten Angehörigen sowie Lebensgefährten zur Verfügung stehen.
Umfasst sind Pflegeleistungen, die bis zu drei Jahre vor dem Tod des Erblassers erbracht wurden. Pflegeleistungen, die länger als drei Jahre vor dem Tod des Erblassers erbracht wurden, können wie bisher auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht werden.
Anrechnung von Schenkungen
Schenkungen an nicht pflichtteilsberechtigte Personen, die nicht länger als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden, sind nach der derzeitigen Rechtslage auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten anzurechnen. Gleiches gilt für Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen. Hier gilt allerdings keine Frist, das heißt, sämtliche Schenkungen sind über Verlangen anzurechnen. Nach dem Entwurf des Erbrechtsänderungsgesetzes sind sämtliche Schenkungen – sei es an pflichtteilsberechtigte oder an nicht pflichtteilsberechtigte Personen – die innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden, hinzu- und anzurechnen.
Abzuwarten bleibt, ob es im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zu Änderungen des Gesetzesentwurfs kommt.
Zu diesem Thema veranstaltet ARTUS am Dienstag, 2. Juni um 18.00 Uhr einen Vortrag „Erben – neu geregelt“ in unserer Wiener Kanzlei, bei dem Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien, und Mag. Wolfgang Dibiasi, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei ARTUS, rechtliche und steuerliche Aspekte beleuchten werden. Nähere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier.
Wir bedanken uns bei Mag. Stephan Zinterhof für die freundliche Unterstützung und das Verfassen dieses Beitrags.
Mag. Stephan Zinterhof, Rechtsanwalt in Wien
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