Die Unterscheidung zwischen entgeltlichem Vorgang und (gemischter) Schenkung ist in der Praxis von großer Bedeutung. Es gibt eine Reihe von Zweifelsfällen. So kann etwa die ursprünglich als Schenkung beabsichtigte Übertragung im Familienkreis als steuerpflichtige Veräußerung eingestuft werden, wenn eine Gegenleistung in Form einer Schuldübernahme oder Ausgleichszahlung an andere Familienmitglieder vorliegt. Bei Liegenschaftstransaktionen kann sich dadurch für die Übergeber eine Immobilienertragsteuerbelastung ergeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seiner jüngsten Entscheidung neue Maßstäbe für die Übertragung von Immobilien zwischen Familienangehörigen gesetzt. Bei einer gemischten Schenkung ist demnach eine Entgeltlichkeit erst bei einer Gegenleistung im Ausmaß von 75 % des Verkehrswerts der übergebenen Liegenschaft gegeben.
Diesem Erkenntnis lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein Wohnhaus mit Verkehrswert rund EUR 800.000 wurde von den Eltern an die gemeinsame Tochter übertragen. Laut Schenkungsvertrag verpflichtete sich die Tochter ihren drei Geschwistern jeweils rund EUR 200.000 als Ausgleichszahlung (gesamt EUR 600.000) zu leisten. Die Ausgleichszahlungen betrugen somit rund 75 % des Verkehrswerts der Liegenschaft.
Es war vom VwGH zu beurteilen, ob in diesem Fall von einem entgeltlichen Vorgang oder einer (gemischten) Schenkung an die Tochter auszugehen war. Die Verwaltungspraxis sah bisher bei Überwiegen der Gegenleistung (mehr als 50 % des Verkehrswerts des übertragenen Vermögens) ein entgeltliches Rechtsgeschäft vor.
Beachtlich sind die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in diesem Zusammenhang:
- Die 50 %-Grenze des § 20 Abs. 1 Z 4 EStG, die bislang allgemein zur Abgrenzung von entgeltlichen und unentgeltlichen Vorgängen herangezogen wurde, ist lediglich für die Abgrenzung unterschiedlicher Typen von steuerlichen Renten maßgeblich.
- Für andere Rechtsgeschäfte hat die Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Vorgängen ausschließlich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu erfolgen.
- Weicht der Wert der Gegenleistung um nicht mehr als 25 % vom Verkehrswert des übertragenen Wirtschaftsguts ab, ist für die ertragsteuerliche Behandlung in der Regel von einem einheitlichen, entgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen. Im Falle einer größeren Abweichung ist bei Übertragungen zwischen Angehörigen grundsätzlich von einer (zumindest teilweisen) Schenkungsabsicht auszugehen.
Aufgrund des Erreichens der 75 %-Grenze ging auch der VwGH im vorliegenden Fall von einem entgeltlichen Vorgang aus und bestätigte damit das Ergebnis von Finanzamt und Bundesfinanzgericht. Es liegt somit eine Immobilienübertragung vor, die der Immobilienertragsteuer unterliegt.
Ungeachtet des Ausgangs können die Ausführungen in dem VwGH-Erkenntnis für andere Verfahren von großer Bedeutung sein. Bei einer Gegenleistung für Grundstücksübertragungen zwischen Familienangehörigen beispielsweise von 50 % oder 2/3 des Verkehrswerts, ist auf Basis dieser jüngsten VwGH-Entscheidung von einem unentgeltlichen Vorgang auszugehen.
Sollten Sie einen ähnlichen Fall in den letzten Jahren gehabt haben und – infolge der bisherigen Qualifikation als entgeltlichen, steuerpflichtigen Vorgang – bereits Immobilienertragsteuer entrichtet haben, prüfen wir für Sie gerne die Möglichkeiten für eine Rückerstattung der Immobilienertragsteuer (info@artus.at).