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Gröbliche Benachteiligung durch sittenwidrige Überwälzung von Erhaltungskosten bei Bestandobjekten im Einkaufszentrum

Recht & Steuern
date icon 25. März 2013

Der OGH hat vor kurzem entschieden, dass Erhaltungskosten der allgemeinen Teile auch bei Einkaufszentren nicht uneingeschränkt auf den Bestandnehmer überwälzt werden dürfen. Diese Entscheidung ist auch insofern von weitreichender Bedeutung, als sie auch die uneingeschränkte Überwälzung der Erhaltungskosten auf unternehmerische Mieter oder Pächter als unzulässig erachtet. Die Entscheidung ist unter 7 Ob 93/12w vom 28.12.2012 nachzulesen.

Anlassfall war die Weigerung eines Bestandnehmers gegenüber einem oberösterreichischen Einkaufszentrumbetreiber für diese Erhaltungskosten aufzukommen. Grundlage der Forderung des Einkaufszentrumbetreibers war ein durch ihn regelmäßig benutztes Bestandvertragsmuster, welches den Bestandnehmern neben den normalen Betriebskosten für ihre Shops auch den Großteil der Erhaltungskosten des Shoppingcenters auferlegte. Die solcherart vorgeschriebenen Jahresabrechnungen reichten von Dekorationsmaterial über Wartungskosten der Feuermelde- und Sprinkleranlage sowie Kosten der Reparatur der automatischen Türen bis zu den Personalkosten. Im Prozess berief sich der Bestandnehmer auf die Sittenwidrigkeit dieser Bestimmung.

Gemäß § 879 Abs 3 ABGB sind Vertragsbestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern über Nebenleistungen sittenwidrig und daher nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligen.

Der OGH erblickt in der unbeschränkten Überwälzung der Erhaltungspflicht auf den Bestandnehmer jene „gröbliche Benachteiligung“, welche gemäß § 879 Abs 3 ABGB die zugrundeliegende Vertragsklausel nichtig macht. Zitat: „Der Bestandnehmer würde sich einer völlig unabschätzbaren Kostenlast (auch wenn sie durch Nachlässigkeiten des Bestandgebers verursacht wurden) aussetzen, während dem Bestandgeber der Bestandzins und die Befreiung von jeglichem Erhaltungsaufwand für sein gesamtes Eigentum zugute käme“.

Eine Vertragsklausel ist nur soweit unwirksam, wie ihre Sittenwidrigkeit reicht. Im gegenständlichen Fall wurde die sittenwidrige Generalklausel durch eine weitere Klausel eingeschränkt, in der sich der Bestandgeber zur Erhaltung von Außenfassade, Verputz, Mauerwerk, Außenfenstern, Dach und Außenanlagen verpflichtete. Da diese Einschränkungen im bisherigen Verfahren noch keine Berücksichtigung fanden, wird eine Entscheidung über deren Zulässigkeit erst nach Verfahrensergänzung durch das Erstgericht  vorliegen.

Der gegenständliche Fall macht wieder einmal deutlich, wie wichtig es auch für den Unternehmer als Bestandnehmer ist, den ihm vorgelegten Vertrag vor Unterfertigung kritisch und in Ruhe zu überprüfen, sowie auch die langfristigen Folgen von möglicherweise unliebsamen Vertragsklauseln zu bedenken. Aber auch dem Bestandgeber ist anzuraten, Vertragsmuster und Allgemeine Geschäftsbedingungen durch einen Experten erstellen oder zumindest überprüfen zu lassen, will er das Risiko kostspieliger und langwieriger Prozesse minimieren.

 

Dieser Artikel wurde verfasst von:

RA Dr. Peter Tomasi, LL.M

Tätig als Einzelanwalt in Salzburg.
Allgemeinpraxis, Tätigkeitsschwerpunkte Technik & Recht, Gewerblicher Rechtsschutz/Immaterialgüterrecht, Verwaltungsrecht, akad. Europarechtsexperte.

 

office@rechtsanwalt-tomasi.at
www.rechtsanwalt-tomasi.at

 

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