Im Jahr 2022 haben sich in Bezug auf grenzüberschreitende Tätigkeiten in einigen Bereichen Änderungen ergeben. Dies nicht zuletzt aufgrund der Normalisierung der Covid-Lage im Bereich der Sozialversicherung oder aufgrund höchstgerichtlicher Entscheidungen (etwa im Zusammenhang mit Familienleistungen). Nachstehend erhalten Sie einen Überblick über die wesentlichsten Änderungen.
Änderungen in den Bereichen Homeoffice und Sozialversicherung
Grundsätzlich kann ein Mitarbeiter innerhalb der EU/EWR in nur einem Staat der SV-Pflicht unterliegen. Es gilt vorrangig das Territorialitätsprinzip (Ort der Tätigkeit). Befindet sich der Arbeitgeber und der Wohnsitz des Mitarbeiters nicht in demselben Staat bzw übt ein Mitarbeiter seine Tätigkeit in zwei Ländern aus (unter anderem in seinem Wohnmitgliedstaat zu mehr als 25 % seiner Gesamtarbeitszeit, wie etwa im Homeoffice) dann ist der Wohnmitgliedsstaat unter Umständen berechtigt für das weltweite SV-pflichtige Einkommen SV-Beiträge einzuheben (gem. der Koordinierungsregeln der VO (EG) 883/2004).
Während der Pandemie hat die Verwaltungskommission für die Koordinierung des Systems der sozialen Sicherheit diesbezüglich eine Ausnahmeregelung beschlossen, wonach die SV-Zuständigkeit aufgrund einer Covid-bedingten Homeoffice-Tätigkeit nicht in den Wohnmitgliedstaat wechselt (insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber nicht im Wohnsitzstaat des Mitarbeiters seinen Sitz hat).
Zum 30.6.2022 ist diese Covid-Ausnahmeregelung jedoch grundsätzlich ausgelaufen. Die Verwaltungskommission hat daraufhin einen Leitfaden veröffentlicht, zumal durch die Normalisierung der Covid-Lage „höhere Gewalt“ ab dem 1.7.2022 nicht mehr als gültige Rechtsgrundlage herangezogen werden kann. Darin wurde ausgeführt, dass grenzüberschreitende Homeoffice-Tätigkeit dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit außerhalb der Arbeitsstätte erbringt, an welcher er gewöhnlich tätig ist. Nach der Verwaltungskommission liegt Homeoffice nur dann vor, wenn dieselbe Tätigkeit, die bislang in der Arbeitsstätte des Arbeitgebers erbracht wurde, nunmehr in den privaten Räumlichkeiten des Dienstnehmers erbracht wird, und nicht etwa, wenn der Dienstnehmer beim Kunden tätig wird.
Zur Vermeidung abrupter Änderungen der Sozialversicherungszuständigkeit wurde die Corona-Ausnahmeregel zunächst bis 31.12.2022 und nunmehr bis 30.6.2023 durch die Verwaltungskommission verlängert, um den Betroffenen Zeit für notwendige Planungsmaßnahmen und die Abwicklung zu geben.
Das bedeutet ab 1.7.2023 könnte es zu einem Wechsel der SV-Zuständigkeit kommen, sollte dann nach wie vor im Homeoffice eine wesentliche Tätigkeit (mind. 25 %) ausgeübt werden. Dies kann dazu führen, dass der Arbeitgeber sich im anderen Staat (nämlich dort, wo der Mitarbeiter im Homeoffice tätig ist) registrieren und SV-Beiträge dorthin abführen muss.
Aufgrund der von der Kommission plädierten flexibleren Gestaltung hat Österreich mit Deutschland eine bilaterale Vereinbarung abgeschlossen, wonach ab 1.1.2023 auf Antrag bis zu 40 % der Tätigkeit im Homeoffice ausgeübt werden kann, ohne dass es zu einem Wechsel der SV-Zuständigkeit in den Wohnsitzstaat kommt. Die Anwendung dieser 40 %-Grenze kann maximal bis zu zwei Jahre beantragt werden, Verlängerungsanträge sind jedoch möglich. Der Antrag ist beim Dachverband der Sozialversicherungen (DVSV) zu stellen. Aufgrund der Verlängerung der Ausnahmeregelung durch die Kommission wird die Vereinbarung mit Deutschland allerdings erst ab 1.7.2023 schlagend.
Verhandlungen mit weiteren Nachbarstaaten Österreichs sind im Gange.
Folgendes Beispiel soll die Sachlage im Verhältnis zu Deutschland ab 1.1.2023 veranschaulichen:
M ist beim österr. Arbeitgeber A beschäftigt. Er vereinbart zu Beginn des Jahres 2023 mit seinem Arbeitgeber, dass er von seinem deutschen Wohnsitz aus arbeitet. Daraufhin wird beim DVSV ein Antrag für den Zeitraum 1.1.2023-31.12.2024 gestellt. Zumal die bilaterale Vereinbarung mit Deutschland erst mit dem 1.7.2023 wirksam wird (da bis zu diesem Zeitpunkt die Covid-Ausnahmeregelung noch greift) könnte M bis zu diesem Zeitpunkt auch mehr als die vereinbarten Tage im Homeoffice arbeiten. Österreich bleibt weiterhin zuständiger Staat für die Sozialversicherung. Ab 1.7.2023 darf die Homeoffice-Tätigkeit max. zwei Tage pro Woche betragen.
SV-Abkommen mit Brasilien
Im Verhältnis zu Drittlandsstaaten besteht die Gefahr, dass es zu einer Doppelbelastung mit SV-Beiträgen für ein und dasselbe Einkommen kommt. Um dies zu vermeiden, wurden mit einer Reihe von Ländern SV-Abkommen abgeschlossen. Diese Abkommen sollen die Sozialversicherungszuständigkeit bei einer Tätigkeit in den jeweiligen Vertragsstaaten koordinieren.
Am 17.5.2022 hat Österreich ein SV-Abkommen mit Brasilien unterzeichnet. Wann das Abkommen in Kraft treten wird, steht derzeit noch nicht fest. Dem Abkommen zufolge besteht bei Entsendungen nach Brasilien die Versicherungspflicht in Österreich für weitere fünf Jahre fort, sofern vor Tätigkeitsaufnahme in Brasilien zumindest für einen Monat eine Versicherungspflicht in Österreich bestand. Eine Verlängerung ist nicht möglich. In diesen fünf Jahren kann keine Beitragspflicht in Brasilien entstehen. Nach Ablauf dieser fünf Jahre, muss, damit keine Versicherungspflicht in Brasilien ausgelöst wird, eine Unterbrechung der Tätigkeit in Brasilien für mindestens ein Jahr erfolgen. Nach Ablauf dieses Jahres beginnt die 5-Jahresfrist neu zu laufen.
Die Krankenversicherung ist im Abkommen nicht geregelt. Allfällige Krankheitskosten wären vom Arbeitgeber zu tragen, es empfiehlt sich der Abschluss einer Krankenversicherung.
FABO+ bei Kindern im Ausland
Seit 2019 besteht die Möglichkeit für anspruchsberechtigte Kinder einen Familienbonus Plus geltend zu machen. Dabei handelt es sich um einen Absetzbetrag, der die Steuerbelastung um EUR 2.000 jährlich (2019-2021: EUR 1.500 jährlich) in voller Höhe reduziert. Der Anspruch besteht so lange, so lange das Kind Anspruch auf österr. Familienleistungen hat (bis zum 18. Lebensjahr bzw darüber hinaus, wenn das Kind zB studiert). Ab dem 18. Lebensjahr reduziert sich der Familienbonus Plus auf EUR 650,00 jährlich (2019-2021: EUR 500,00).
Für im Ausland lebende Kinder konnte der Familienbonus Plus bisher nur dann in Anspruch genommen werden, wenn ein Antrag auf Differenzzahlung in Österreich gestellt wurde (etwa, weil der ausländische Staat vorrangig für die Auszahlung von Familienleistungen zuständig ist). Auch wenn im Ausland die Familienleistungen höher sind und die Differenzzahlung defacto betragsmäßig EUR 0,00 ergeben hätte, war dieser (Null)Bescheid bislang notwendig, um einen Familienbonus Plus für in Österreich tätige und steuerpflichtige Elternteile erlangen zu können. Im Zuge des VwGH Erkenntnisses vom 6.4.2022 (Ra 2021/15/0067) wurde entschieden, dass ein Antrag auf Differenzzahlung nicht mehr notwendig sei. Wesentlich sei nicht die Antragsstellung oder der tatsächliche Anspruch auf Familienleistungen in Österreich, sondern lediglich das Erfüllen der Anspruchsvoraussetzungen auf Familienleistungen egal in welchem EU/EWR-Land bei Vorliegen einer SV-Pflicht eines Elternteils in Österreich. Liegt keine SV-Pflicht in Österreich vor, müssten die Kinder in Österreich leben, damit die Anspruchsvoraussetzungen für den Familienbonus Plus erfüllt sind.
Gerne stehen wir für nähere Auskünfte zur Verfügung, sollte eines dieser Themen für Sie von Relevanz sein. Bitte behalten Sie insbesondere den Zeitpunkt des Auslaufens der COVID-Sonderregelung in Bezug auf die Sozialversicherungszuständigkeit (1.7.2023) im Auge und setzen Sie rechtzeitig alle notwendigen Schritte, für den Fall, dass Sie im Ausland tätige Mitarbeiter beschäftigen.