Bereits das BFG hatte ARTUS recht gegeben, dass das Erfordernis einer Eintragung im Firmenbuch einer inländischen Zweigniederlassung für die Anerkennung als beschränkt steuerpflichtiger Gruppenträger unionsrechtswidrig ist. Dies bestätigt nun auch der VwGH und legt für die steuerliche Ergebniszurechnung dabei bestimmte Vorgaben fest.
Zum konkreten Fall siehe bitte unseren Blog-Beitrag vom 16.5.2022.
Die Bildung einer Unternehmensgruppe nach dem Körperschaftsteuergesetz (KStG) – aktuelle gesetzliche Anforderungen
Die österreichische Gruppenbesteuerung gemäß § 9 KStG hat als Zweck, einen Ergebnisausgleich zwischen den Gruppenmitgliedern und ihrem Gruppenträger herbeizuführen. Beim Gruppenträger erfolgen das Pooling der steuerlichen Jahresergebnisse und somit die Besteuerung des aggregierten Gruppensteuerergebnisses.
Damit eine ausländische, beschränkt steuerpflichtige EU-/EWR-Kapitalgesellschaft als Gruppenträger gemäß § 9 Abs 3 KStG auftreten darf, sind ua folgende Voraussetzungen zu erfüllen:
- Die ausländische (vergleichbare) Kapitalgesellschaft muss über eine eingetragene Zweigniederlassung im österreichischen Firmenbuch verfügen, und
- die in die österreichische Gruppenbesteuerung einzubeziehenden Beteiligungen müssen dieser Zweigniederlassung auch zuzurechnen sein.
In der Praxis bedeutet das Erfordernis der Firmenbucheintragung, dass inländische Büroräume für die Zweigniederlassung nötig sind, zumeist ein Mietvertrag der Firmenbuchanmeldung beizulegen ist oder vor allem im städtischen Bereich die Räumlichkeiten einer Kontrolle durch die Wirtschaftskammer standhalten. Wesentlich ist nach den Anforderungen des Firmenbuchgerichts, dass die Zweigniederlassung über einen Betrieb, Personal, Räumlichkeiten etc in Österreich verfügt. Zudem ist die Zugehörigkeit einer Beteiligung zu einer Betriebsstätte dann gegeben, wenn ein funktionaler Zusammenhang zwischen einer Beteiligung und den Aktivitäten der Betriebsstätte besteht und in der Betriebsstätte wesentliche Personalfunktionen wahrgenommen werden.
Sowohl die Errichtung bzw. Eintragung einer Zweigniederlassung im Firmenbuch als auch in weiterer Folge die Zurechnung der Beteiligungen zu dieser Zweigniederlassung, sind sohin mit einem nicht unbeachtlichen Arbeitsaufwand bzw. Nachweispflichten verbunden.
Europarechtliche Vorgaben generell
Die EU hat als wesentliches Ziel die wirtschaftliche Einheit und Gleichbehandlung. Dies äußert sich insbesondere durch die hier maßgebende Niederlassungsfreiheit von Personen eines Mitgliedstaates in anderen EU-Mitgliedstaaten. Daraus folgt, dass in- und ausländische Personen – sowohl natürliche als auch juristische Personen – gleich zu behandeln und nicht zu diskriminieren sind.
Wie der VwGH unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH weiters ausführt, kann ausnahmsweise eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dadurch gerechtfertigt werden, dass in bestimmten Fällen die Notwendigkeit besteht, die innere Logik und Konsistenz einer Steuerregelung zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten müssen in der Lage sein, eine (grenzüberschreitende) doppelte Verlustverwertung zu verhindern. Die Voraussetzung der Eintragung einer Zweigniederlassung ist grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Verhinderung einer solchen doppelten Verlustverwertung. Einschränkungen des Unionsrechts sind jedoch nur nach der Maßgabe zulässig, dass diese nicht über jenes Maß hinausgehen dürfen, das zur Erreichung eines bestimmten Ziels (z.B. Vermeidung der doppelten Verlustverwertung) erforderlich ist.
Der VwGH kommt zum Ergebnis, dass das Erfordernis der Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung über das hinausgeht, was zur Vermeidung einer doppelten Verlustverwertung erforderlich ist, somit der Niederlassungsfreiheit entgegensteht und im Ergebnis unionsrechtswidrig ist.
Unionsrechtskonforme Anwendung des KStG
Nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem Unionsrecht steht, wird für die jeweilige Konstellation verdrängt. Die Verdrängung nationalen Rechts hat mit dem materiell geringsten Eingriff zu erfolgen, der ausreicht, um einen unionsrechtskonformen Zustand herbeizuführen („geltungserhaltende Reduktion“).
Dem Unionsrecht bzw. der Niederlassungsfreiheit wird aus Sicht des VwGH weiters durch folgende Vorgehensweise bzw geltungserhaltend reduzierte Anwendung des KStG entsprochen:
- Die ausländische Muttergesellschaft kann – auch bei Fehlen einer eingetragenen inländischen Zweigniederlassung im Firmenbuch – formal als Gruppenträgerin festgestellt werden.
- Für Zwecke der Zusammenrechnung der Ergebnisse der Gruppenmitglieder im Rahmen der Gruppenbesteuerung, werden die unmittelbaren österreichischen Tochtergesellschaften wie österreichische Betriebsstätten der ausländischen Gruppenträgerin behandelt.
- Bei der Zusammenrechnung der Ergebnisse der Gruppenmitglieder sind die Vorgaben des KStG (insbesondere betreffend Vor- und Außergruppenverluste) einzuhalten.
- Das Besteuerungsrecht der zusammengefassten Ergebnisse der österreichischen Gruppenmitglieder steht Österreich zu.
- Verlustüberhänge aus dem Gesamtergebnis der österreichischen Gruppenmitglieder stellen einen vortragsfähigen Verlust des ausländischen Gruppenträgers dar.
Durch sein Erkenntnis bestätigt der VwGH inhaltlich das BFG und sieht in der technischen Umsetzung einen anderen Lösungsweg für die Zielerreichung eines angestrebten Ergebnisausgleichs der österreichischen Gesellschaften vor. Das aus diesem Grund aufgehobene BFG Erkenntnis ist nun vom BFG entsprechend dem vom VwGH vorgezeichneten Weg neu zu erlassen. Für künftige Fälle wäre es zudem sehr wünschenswert, wenn der Gesetzgeber eine Änderung der europarechtswidrigen Bestimmungen in § 9 Abs 3 KStG vornimmt.
Wir freuen uns, diesen Fall erfolgreich für unseren Klienten begleitet zu haben sowie über die Veröffentlichung in der Zeitschrift SWI Steuer und Wirtschaft International – Tax and Business Review vom Linde Verlag.
Bei Fragen zum Konzernsteuerrecht wenden Sie sich gerne an ARTUS (info@artus.at).