Zuzugsbegünstigung gem. §103 EstG
Die Zuzugsbegünstigung gemäß § 103 EStG ermöglicht es dem Finanzamt, bei Personen, deren Zuzug aus dem Ausland im öffentlichen Interesse liegt – insbesondere zur Förderung von Wissenschaft, Forschung, Kunst oder Sport – steuerliche Mehrbelastungen zu beseitigen, die durch die Begründung eines Wohnsitzes in Österreich entstehen. Zusätzlich kann bei wissenschaftlich oder forschend tätigen Personen ein 30%iger Freibetrag auf tarifbesteuerte Einkünfte für fünf Jahre ab dem Zuzug gewährt werden; in diesem Fall sind keine weiteren abzugsfähigen Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Zuzug zulässig. Die Begünstigungen setzen voraus, dass der Zuzug nicht innerhalb von zehn Jahren (bzw. fünf Jahren bei § 103 Abs. 1a) nach einem vorherigen Wegzug aus Österreich erfolgt ist.
Die oben genannten Begünstigungen sind antragsgebunden. Ein entsprechender Antrag kann nur innerhalb der ersten 6 Monate nach Zuzug gestellt werden. Aus diesem Grund kommt dem Zeitpunkt des Zuzuges entscheidende Bedeutung zu. Ausschlaggebend ist dafür der Zeitpunkt der Verlagerung des Mittelpunkts der Lebensinteressen. Der österreichische Gesetzgeber sieht hierfür keinen abgeschlossenen Kriterienkatalog vor, entscheidend ist die Gesamtbetrachtung der individuellen Situation sowie die Berücksichtigung der Rechtsprechung. Nachfolgend aktuelle Fälle aus der Rechtsprechung zur Veranschaulichung:
Fälle aus der Rechtsprechung
Fall 1 – BFG 13.03.2025, RV/7103795/2023
Die Beschwerdeführerin lebte mit ihrem Ehemann und zwei kleinen Kindern bis Mitte April 2021 im Ausland, wo sie bis Ende Mai auch beruflich tätig war. Bereits im Februar hatte die Familie ein Haus in Wien gekauft. Am 19. April 2021 reiste sie gemeinsam mit Ehemann, Kindern und ihrer Mutter nach Österreich, um den neuen Wohnsitz zu beziehen. Ihre Tochter wurde kurz danach im Kindergarten eingewöhnt. Die bisherige Wohnung im Ausland wurde mit Ende Mai gekündigt, also rund einen Monat nach dem Umzug.
Obwohl die Beschwerdeführerin erst am 29. November 2021 ihre neue Tätigkeit an einer österreichischen Universität aufnahm, stellte das Bundesfinanzgericht klar: Der tatsächliche Lebensmittelpunkt wurde bereits im April mit dem Umzug der gesamten Kernfamilie nach Österreich verlagert. Berufliche Restverpflichtungen oder Aufenthalte im Ausland in dieser Übergangszeit waren unerheblich, da keine plausiblen Belege für eine relevante Bindung zum Herkunftsstaat mehr vorlagen. Das BFG betonte, dass der Zuzug nicht zwingend mit einem neuen Arbeitsverhältnis zusammenfallen muss – maßgeblich sei, dass die engsten persönlichen Beziehungen (Familie, Wohnen, Alltag) ab diesem Zeitpunkt in Österreich lagen. Da der Antrag auf Zuzugsbegünstigung mehr als sechs Monate später gestellt wurde, war er verspätet.
Fall 2 – BFG 07.03.2025, RV/7102056/2023
Der Beschwerdeführer lebte zunächst mit seiner Ehefrau im Ausland, während diese im Jahr 2018 nach Österreich übersiedelte, dort arbeitete und einen eigenen Wohnsitz begründete. Der Beschwerdeführer blieb weiterhin im Ausland wohnhaft, ging dort seiner Berufstätigkeit nach und pflegte auch dort seine sozialen Kontakte (z. B. in Verein und Kirche). Zwar reiste er regelmäßig zu Besuch nach Österreich, führte aber weiterhin einen eigenen Haushalt im Herkunftsland.
Erst im Jahr 2020 kam die Wende: Der Beschwerdeführer unterzeichnete einen Dienstvertrag mit einer österreichischen Universität mit Arbeitsbeginn zum 1. Januar 2021. Im Zuge dessen kündigte er seine bisherige Wohnung mit 30. November 2020 und beendete sein Dienstverhältnis mit Jahresende. Für die Übergangszeit nutzte er nur noch vorübergehende Unterkünfte (etwa ein Gästehaus und das Kinderzimmer im Elternhaus), was laut BFG nicht als echter Wohnsitz zu werten war. Der Gerichtshof beurteilte die Aufgabe der alten Wohnung und der Arbeit im Ausland als entscheidenden Schritt: Spätestens mit 1. Dezember 2020 sei der Lebensmittelpunkt – und damit auch der steuerlich relevante Zuzug – nach Österreich verlagert worden. Auch in diesem Fall wurde der Antrag auf Zuzugsbegünstigung – eingereicht am 15. Juni 2021 – als nicht fristgerecht abgewiesen.
Kriterien zur Bestimmung des Zeitpunkts der Verlagerung des Mittelpunkts
Persönliche Beziehungen als zentrales Kriterium
Bei der Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen kommt den persönlichen Beziehungen regelmäßig das größere Gewicht zu. Maßgeblich ist, wo sich das Zentrum des familiären, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens einer Person befindet. Besonders relevant sind der Wohnort des Ehepartners und der Kinder, gemeinsame Haushaltsführung, soziale Bindungen wie Vereinsmitgliedschaften, religiöse Aktivitäten oder die Teilnahme am kulturellen Leben. Auch bei doppelten Wohnsitzen ist entscheidend, in welchem Staat sich diese persönlichen Bindungen stärker verdichten. Der Wohnsitz der Kernfamilie wirkt oft als „natürlicher Ankerpunkt“ des Lebensmittelpunkts.
Wirtschaftliche Beziehungen als ergänzendes Kriterium
Wirtschaftliche Beziehungen sind bei der Beurteilung ebenfalls zu berücksichtigen, wenn auch meist nachrangig. Dazu zählen berufliche Tätigkeiten, Einkunftsquellen, Beteiligungen sowie Vermögensschwerpunkte. Eine durchgehende Berufstätigkeit im Ausland – wie im Fall 2 (siehe oben) – kann ein starkes Indiz dafür sein, dass der Lebensmittelpunkt (noch) nicht nach Österreich verlagert wurde, insbesondere wenn auch persönliche Bindungen weiter bestehen. Umgekehrt kann die Beendigung eines Dienstverhältnisses und die Aufgabe beruflicher Strukturen im Ausland den entscheidenden Umschwung markieren, selbst wenn der tatsächliche Umzug erst später erfolgt.
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